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I Ging Die Zeit Algebra Der Gegensatz I Ging legen


Es gibt im Wesentlichen zwei Arten der Verbindung zwischen zwei Hexagrammen: Das Wandeln einer Linie oder die Bildung eines Gegensatzes. Auf den Wegen der Wandlungen stellen die Gegensätze Querverbindungen, Abkürzungen sozusagen her. Um diese Gegensätze soll es hier in erster Linie gehen. Es gibt traditioneller Weise drei Arten der Gegensatzbildung: pang-tung (alle Linien werden gewandelt), tsien-gua (das Zeichen wird umgedreht, das heißt an seiner Horizontalachse gespiegelt) und giau-gua (oberes und unteres Trigramm werden miteinander vertauscht). Während pang-tung mit der Operation des Wandels einzelner Linien (yin in yang oder umgekehrt) verbunden ist, liegt tsien-gua und giau-gua das Vertauschen von Linien als Grundoperation zu Grunde. Eine einfache algebraische Erörterung zeigt, dass diese Gegesatzoperation quasi auf natürliche Weise zusammen gehören. Bei dieser Betrachtung wird naheliegender Weise die "identische Operation" (das Hexagramm bleibt so wie es ist) als vierter Gegensatz betrachtet.

<a1,...,a6>, wobei a1,...,a6 für Zahlen zwischen 1 und 6 stehen, bezeichne einen Vertauschungsoperator auf der Menge der Hexagramme. Zu lesen ist er so: die erste Linie wird mit der Linie a1 vertauscht, dann die zweite mit a2, usw. und schließlich die letzte mit a6. Damit das Ganze sinnvoll bleibt, betrachte ich hier nur solche Operatoren, für die {a1,...,a6} = {1,...,6} gilt. Sie können vielleicht "reguläre" Operatoren genannt werden. Die Menge der regulären Vertauschungsoperatoren ist bezüglich der Hintereinanderausführung eine Gruppe mit 6! = 720 Elementen, die sechselementige Permutationsgruppe.

Der Index einer Operation sei die Zahl der Hintereinanderausführungen, die benötigt werden, um jedes Hexagramm in sich selbst zu überführen. Die Hexagramme sind in dieser Hinsicht, was das Vertauschen von Linien angeht, zyklisch aufgebaut: Jede Vertauschungsoperation hat einen endlichen Index, das heißt, sie überführt, wird sie oft genug ausgeführt, jedes Hexagramm in sich selbst.

Gegensätze sind Vertauschungsoperatoren mit Index 2; das heißt, sie bilden zweimal angewendet jedes Zeichen auf sich selbst ab. Eine solche duale Grundstruktur gehört ja zu den typischen Eigenschaften von Gegensätzen. Sie stellt auch einen bestimmten Modus der Zeit, den der Gleichzeitigkeit beziehungsweise Gegenwart dar - im Unterschied zu den Wandlungen, die sich immer nur in der Zeit vollziehen; daher die Bedeutung der Gegensätze im I Ging. Da sich nun jede Permutation sich als Hintereinanderausführung von Transpositionen darstellen lässt, können alle regulären Vertauschungsoperationen als Hintereinanderausführung von solchen mit Index 2 durchgeführt werden. Jeder Gegensatz lässt sich durch endlich viele Wandlungen darstellen. Es gibt 75 Vertauschungsoperatoren mit Index 1 oder 2, davon eine, die keine Linien vertauscht (die Identität mit Index 1), 15, die zwei Linien miteinander vertauschen, 45, die vier Linien miteinander vertauschen und 14, die alle sechs Linien miteinander vertauschen.

Nun ist ja ein wesentlicher Aspekt der Hexagramme im I Ging der, dass sie aus Trigrammen zusammengesetzt sind. Dass die Transparenz dieser Zusammensetzung aus oberem und unterem Trigramm erhalten bleibt, soll nun das Kriterium für die weitere Auswahl geeigneter Gegensätze sein. Dafür folgende Sprechweise:

<a1,...,a6> heiße positionerhaltend, wenn {a1,a2,a3} = {1,2,3}.
<a1,...,a6> heiße positionwechselnd, wenn {a1,a2,a3} = {4,5,6}.
<a1,...,a6> heiße trigrammtrennend, wenn sie positionerhaltend oder positionwechselnd ist.
Positionerhaltende und positionwechselnde Operationen gibt es jeweils 36, aber nur 16, die zugleich auch den Index 2 oder 1 haben. Das Trigramm abc (die Buchstaben stehen für yin- oder yang-Linien) wird durch eine solche trigrammtrennende Operation auf eines der Menge {abc,acb,bac,cba} abgebildet. Und weiter:

Die trigrammtrennende Operation <a1,...,a6> heiße "trigrammsymmetrisch", wenn sie ein Hexagramm abcabc auf eines der Menge {abcabc,acbacb,bacbac,cbacba} abbildet.
Die trigrammtrennende Operation <a1,...,a6> heiße "symmetrieerhaltend", wenn sie ein Hexagramm abcabc auf eines der Menge {abcabc,abccba,cbaabc,cbacba} abbildet.

Das sind nochmal zwei Kriterien, die das Ganze auf Symmetrien hin fokussiert. Die Trigrammsymetrie schränkt die Auswahl der Gegensätze auf die ein, die im Hexagramm oben und unten in gleicher Weise operieren. Symmetrieerhaltend ist eine trigrammtrennende Operation dann, wenn sie seine Symmetrieeigenschaft (symmetrisch oder asymmetrisch) erhält.

Jetzt ist es so weit: Eine trigrammtrennende, trigrammsymmetrische und symmetrieerhaltende Operation heiße Gegensatz.

Bezeichnungsweise: id stehe für die Identität, pt für pang-tung, tg für tsien-gua und gg für giau-gua; tg-gg steht für "tsien-gua nach giau-gua angewendet".

{id,pt,tg,gg,tg-gg} ist die Menge der Gegensätze.

Die drei klassischen Gegensätze, die die innere Struktur des I Ging prägen, sind also zum einen dadurch charakterisiert, dass ihre zweimalige Anwendung wieder zum Ausgangshexagramm führt, und zum anderen dadurch, dass sie die Symmetrieeigenschaften jeweils der oberen und unteren Trigramme erhalten.
Die Menge G = {id,pt,tg,gg,tg-gg} ist eine fünfelementige Gruppe bezüglich der Hintereinanderausführung. Auf der Menge der Hexagramme lässt sich G als Äquivalenzrelation auffassen. Nach dem bislang Erörterten liegt die Vermutung nahe, dass die Äquivalenzklassen bezüglich G als Symmetrieklassen der Hexagramme gedeutet werden können.